Harald Gehring
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11.8.2008
Triathlon Alpe d’Huez: Unterwegs auf mythischen Spuren

Alpe d'Huez Triathlon 2008  

Die Alpen verbindet jeder mit Winterurlaub und Skifahren, Alpe d’Huez hingegen mit dem Radsport. Wer kennt sie nicht, die 21 Kehren hinauf in den französischen Wintersportort, die Kehren, in denen schon des Öfteren die Tour de France entschieden wurde. Vom Mythos Alpe d’Huez wird gesprochen, einer Kult- und – wie ich auch erfahren habe – Pilgerstätte von Radfahren aus aller Welt. Wer dem Radsport verbunden ist, der will diesen Berg bezwingen.

Täglich quälen sich schier unzählige Radsportler die rund 14 Kilometer hinauf, zumeist begleitet von der Familie im Pkw, die von Kehre zu Kehre fährt, um ein schönes Bild von ihren „Lieben“ zu schießen. Im oberen Teil des Anstiegs warten in den Kehren zudem noch professionelle Fotografen auf die teils lächelnden, teils gequält dreinblickenden Zweiradfahrer, lichten sie ab, um ihnen dann kurzerhand eine Visitenkarte mit einer Code-Nummer zuzustecken, unter der man sich die Bilder später im Internet bestellen kann. Geld ist eben überall zu machen, auch in Kehre 2 oder 5 an einer weltbekannten Alpenstraße.

Seit nunmehr drei Jahren wird der „Berg der Holländer“, diese Bezeichnung resultiert aus den acht Etappensiegen holländischer Radfahrer bei der Tour de France in den 70er und 80er Jahren, nun auch von Triathleten für ein paar Tage in Beschlag genommen – im Rahmen des Alpe d’Huez Triathlon, einer mehrtägigen, bis auf ein paar Kleinigkeiten fast schon professionell organisierten Veranstaltung mit familiärem Flair.

  Alpe d'Huez Triathlon 2008

Für uns Triathleten die große Chance, den Mythos Alpe d’Huez am eigenen Leib zu erleben und zu spüren. Und das innerhalb eines Wettkampfes. Neben einem Kindertriathlon in Alpe d’Huez werden drei Distanzen angeboten, angefangen vom Sprint, der findet allerdings nur im Tal rund um den Lac du Verney statt, über eine Kurzdistanz (1,2km/30km/7km) – inkl. dem Anstieg nach Alpe d’Huez auf der Radstrecke – bis hin zu einer Langdistanz, für die ich mich entschieden hatte: 2,2 km Schwimmen, 115 km Radfahren und 22 km Laufen stehen dabei auf dem Tagesprogramm.

Klingt angesichts der bekannten Ironman-Distanz gar nicht so dramatisch, doch die mit drei Anstiegen und rund 3000 Höhenmetern gespickte Radstrecke im Herzen der französischen Alpen und die hügelige Laufstrecke zwischen 1850 und 2000 Metern machen aus der vermeintlichen „Mitteldistanz“ schnell einen kompletten Tagesausflug. Erst recht, wenn – wie bei mir – die Technik dem Sportler einen gewaltigen Strich durch die Rechnung macht.

Das Herzstück des Events, und das verleiht diesem Triathlon das ganz besondere Flair, ist natürlich der Anstieg hinauf nach Alpe d’Huez. Unterwegs zu sein auf mythischen Spuren – ein einmaliges und beeindruckendes Erlebnis.

Schon in den Tagen vor dem Wettkampf finden sich immer mehr Triathleten im Skiort ein, genießen die Ruhe der Berge, testen aber auch schon einmal die berühmten 21 Kehren. Auch ich habe dies getan. Einmal kurz runter rollen, am Campingplatz oder Kreisverkehr unterhalb des Berges drehen und auf geht’s. Verlangen die ersten Serpentinen einem noch alles ab, wird es, je weiter es nach oben geht, angenehmer. Der Berg ist ohne Probleme fahrbar – und er wird es auch mit 100 km in den Beinen noch sein. Das war mir jetzt klar und es beruhigte mich auch ein wenig.

Alpe d'Huez Triathlon 2008  

Der Start zur Langdistanz erfolgt um 9.30 Uhr, eine recht humane Zeit. Als Anreise zur Schwimmstrecke, ein Stausee unterhalb von Vaujany, nehme ich die Empfehlung vom Veranstalter wahr, per Rad anzureisen. Das dauert zwar ca. 30 bis 40 Minuten, geht aber fast nur bergab. Leider ereilt mich dort am Ende ein „Plattfuß“. ‚Besser jetzt, als im Rennen’, sage ich mir. Ein Satz, an den ich mich im Verlauf des Rennens noch oft erinnern werde. Zeit zum Wechseln des Schlauches habe ich genug, da ich zeitig angereist bin. Die Startnummern werden bei diesem Triathlon nach Nationen verteilt, ein kleiner Plausch vor dem Rennen ist damit vorprogrammiert.

Ins Wasser geht’s dann geschlossen um kurz vor halb zehn. Vorher darf keiner rein, bei 14,5 Grad Wassertemperatur verständlich. Schwimmen ist in diesem Stausee übrigens grundsätzlich strengstens verboten, da er als Energieversorgung genutzt wird. Die Turbine eines französischen Energieunternehmens wird extra für den Wettkampf abgeschaltet.

  Alpe d'Huez Triathlon 2008

Allein der erste Schritt ins kühle Nass sorgt schon für Atemnot, erst recht der erste Versuch, mit dem Kopf unter Wasser zu tauchen. Viele Starter bleiben solange wie möglich am Ufer, ich ordne mich an der Startlinie ein. Das Schwimmen läuft bei mir wie gewohnt gut. Weiter links gestartet, sehe ich schon nach ein paar Metern auf der rechten Seite eine Gruppe, zu der ich schnell hinschwimme. Den anderen wird schnell bewusst, dass sie in mir einen „Deppen“ gefunden haben, der das Tempo macht. Mir ist es egal, ich schwimme mein Tempo, begleitet von einem Boot und weit über mir einem Hubschrauber. An eine Abwechslung an der Spitze denkt keiner meiner Verfolger, drei oder vier an der Zahl, und so steige ich nach 26:12 Minuten an der Spitze liegend unter den rund 400 Startern aus dem Wasser. Übrigens: Meine Zeit wird nach dem Wettkampf auch zunächst in den Ergebnislisten geführt, später aber gestrichen. Vermutlich kam es dem Veranstalter suspekt vor, wie einer, der so durchschnittlich radelt und läuft, so schnell schwimmen kann...

Auch auf dem Rad läuft zunächst noch alles rund. Von den etwa 25 Kilometern Anfahrt zum ersten Anstieg laufen 24 auch richtig rund, dann erlebe ich den zweiten „Plattfuß“ des Tages. Beim Wechsel ramponiere ich zudem auch noch meine Schaltung, so dass ich den ersten Anstieg über 15 km zum Col de la Morte (1360 m) nur schweren Trittes – die kleineren Gänge gingen nicht mehr richtig rein – absolvieren kann. Ganz unten im Anstieg fährt ein Holländer auf mich auf und fragt mich, warum ich denn so schwer trete, worauf ich selbige Frage, nach dem ich seine beantwortet habe, auch an ihn stelle. Denn auch sein Tritt wirkt behäbig. Er hatte sich extra vor dem Triathlon ein drittes Ritzel vorne montiert. Dies ist ihm aber zwei Tage vor dem Rennen gebrochen. Ein Radhändler konnte ihm zwar kurzfristig noch ein neues besorgen, Schaltung und Ritzel waren aber nicht so richtig im Einklang, der Wechsel auf das kleine Ritzel daher unmöglich.

Alpe d'Huez Triathlon 2008  

Oben angekommen steht die erste Abfahrt auf dem Programm, allerdings weniger spektakulär und mit einem kurzen, knackigen Zwischenanstieg versehen. Unterhalb des zweiten Berges (Col D’Ornon) lasse ich mein Rad an einem Servicestand reparieren, esse währenddessen an den erstklassig ausgestatteten Verpflegungsständen ein leckeres, von den netten Helfern frisch geschmiertes Baguette mit Camembert und klettere anschließend behutsam den Col D’Ornon (1371 m) hinauf. Ein Anstieg, der leicht beginnt, zum Ende hin aber aufgrund der langen Kehren und hohen einstelligen Prozenten doch sehr kräftezehrend ist.

Hinzu kommen noch die unzähligen Fliegen, die einen ständig umkreisen, sogar in Mund fliegen und erst ab ca. 20 km/h abzuschütteln sind. Doch wer fährt schon eine Steigung von acht bis zehn Prozent mit 20 km/h? Ich zumindest nicht. Auf dem letzten Kilometer warten dann schließlich ein paar kleinere Wellen auf, an denen man die Fliegen zumindest für ein paar Sekunden kurz abschütteln kann. Sinkt die Geschwindigkeit aber wieder auf ca. 15 km/h ab, wird das Summen kontinuierlich lauter, die schwarze Traube über den Helmen der Radler immer dichter. Ein lustiges Spiel, und auch ein beliebtes unter den anderen Startern wie deutlich zu sehen war.

Die rasante Abfahrt vom Col D’Ornon ins Tal nach Bourg D’Oisans fordert ein wenig Geschick, macht aber auf dem teils nagelneuen Asphalt irrsinnig Spaß. Ein kurzer Abstecher durch den Ortskern und schon steuert man geradewegs auf das I-Tüpfelchen des Triathlon hin: die 21 Kehren von Alpe d’Huez. Vorbei an zwei Campingplätzen und hinweg über eine Zeitmessmatte, der Anstieg nach Alpe d’Huez wird gesondert gestoppt, blickt man nach einer Linkskurve auf eine „Wand“. Bis zu 15 Prozent misst die Steigung im unteren Teilstück. Die trockene Luft, die Windstille und die 40 Grad Außentemperatur animieren meine Schweißporen quasi dazu, Vollgas zu geben. Ganz im Gegensatz zu meinem Körper. Der quält sich den Berg hinauf und versucht seinen Tritt zu finden. Erholung bescheren nur die vielen Kehren, in den man wieder ein wenig Schwung für die nächste Rampe holen kann. Immer wieder schieben Athleten ihre Räder hinauf, kaum langsamer als die fahrenden Teilnehmer. Andere gönnen sich auf den Randsteinen und Leitplanken eine Pause. Ich aber bleibe konsequent im Sattel oder erklimme den Anstieg im Wiegeschritt.

Sieht es bei den Radprofis fast spielerisch aus, wie sie den Berg „hinauffliegen“, scheint das Bild unter den Triathleten allmählich zu gefrieren. Im Zeitlupentempo bewegen sich die verschwitzen Gestalten den Berg hinauf, meistern Kehre für Kehre, um im Ort La Garde bei Kilometer vier an der ersten Verpflegungsstelle Rast zu machen. An der Spitze des Feldes sieht das Spektakel vermutlich ganz anders aus, weitaus sportlicher und flüssiger. Eine Chrissie Wellington zum Beispiel meisterte die 21 Kehren in 54 Minuten, war Schnellste im gesamten Starterfeld (Männer und Frauen) auf diesem Teilstück und nur rund 16 Minuten langsamer als Rekordler Marco Pantani (37:35 Minuten).

Die nächsten Kilometer hinter La Garde werden mit nur ca. acht Prozent Steigung ein bisschen entspannter, doch die Hitze ist nach wie vor erdrückend. Bergbäche dienen als Auffüllstation für Getränkeflaschen und teils sogar auch als abkühlende Dusche.

Je kleiner die Nummer der Kehren wird, desto näher rückt Alpe d’Huez. Kurz nach Kehre Nummer acht höre ich erneut ein Zischen an meinem Hinterrad. Ich schüttel nur mit dem Kopf, habe jetzt definitiv keine Lust mehr auf Stress und wechsel in aller Seelenruhe an einem schattigen Plätzchen auf der Leitplanke meinen Schlauch. Dieser dritte Schlauchwechsel des Tages versetzt mich für ein paar Minuten in die Lage des Zuschauers. Keuchende, teils vor sich hin vegetierende Athleten schleichen scheinbar an mir vorbei, treten ihrem Ziel Alpe d’Huez zwar langsam, aber sicher und entschlossen entgegen. Die Frage „Kann ich helfen?“ höre ich sehr oft – es ist eben doch ein Miteinander und kein Gegeneinander beim Alpe d’Huez Triathlon. Zumindest in den Leistungsbereichen, in denen ich mich bewege.

Bedingt durch die Zwangspause läuft es bei mir auf den letzten Kilometer wieder rund. Ich genieße die Kultstätte, versuche die vielen Namen auf der Straße – erst eine Woche zuvor machte hier die Tour de France Station – zu entziffern und erklimme den mythischen Berg. Kurz vor Kehre eins wartet meine Frau Sandra auf mich. Sie hatte sich schon Sorgen gemacht, weil es so lange gedauert hat. Vielleicht sollte ich beim nächsten Mal doch ein Handy mitnehmen und sie über meine vielen Zwangspausen informieren.

Die Einfahrt nach Alpe d’Huez bereitet schließlich fast jedem Athleten Gänsehaut. Die Radstrecke ist geschafft, der Mythos bewältigt und ein wenig Tour de France-Atmosphäre spürbar.

  Alpe d'Huez Triathlon 2008

Die abschließende Laufstrecke ist speziell in Richtung Col de Sarenne ein landschaftlicher Genuss, aber bedingt durch die vielen kleinen Anstiege auch eine sportliche Herausforderung. Wer nicht auf die Sekunden schaut, dem bietet sich auch die Gelegenheit, Touristen beim Tontaubenschießen zuzugucken. Bei der Laufstrecke handelt es sich um eine Wendepunktstrecke mit Start und Ziel am Sportpalast in Alpe d’Huez. Sie verläuft aus dem Ort heraus, dort über einen Wanderweg hinauf zur Passstraße zum Col de Sarenne. Nach dem Wendepunkt auf dieser Straße geht es auf selbiger Straße zurück in den Skiort, erst zwei Serpentinen hinauf, dann wieder zwei hinunter Richtung Ziel. Lauf- und Gesprächspartner findet man auf der Strecke zuhauf. Insbesondere unsere Nachbarn aus Holland fühlen sich auf „ihrem Berg“ anscheinend heimisch, sind immer gut gelaunt und für ein kleines Späßchen inmitten der Anstrengung zu haben.

Nach 9:41 Stunden erreiche auch ich schließlich das Ziel – auf Rang 244 unter rund 300 Finishern und 3:24 Stunden hinter dem Sieger Marcus Ornellas (Brasilien). Doch Plätze und Zeiten spielen für mich keine Rolle – auch angesichts der vielen technischen Probleme. Ich habe das Abenteuer Alpe d’Huez Triathlon gemeistert, der Hitze getrotzt und den Mythos am eigenen Leib erlebt. Nur das zählt, und das kann mir auch keiner mehr nehmen.

Fazit: Wer sich dem Radsport verbunden fühlt, der sollte diese 21 berühmten Kehren unbedingt einmal in Angriff nehmen. Egal ob als „Pilger“ oder im Rahmen des Alpe d’Huez Triathlon. Denn was bei den Radprofis im Fernsehen fast spielerisch aussieht, entpuppt sich in der Realität als eine echte, nahezu einmalige, aber auch – zumindest für trainierte Radfahrer – machbare mythische Herausforderung.

Die schöne, wenn auch kühle Schwimmstrecke, die anspruchsvolle Radstrecke, die abwechslungsreiche Laufstrecke und die gute Organisation – insbesondere die gut ausgestatteten Verpflegungsstellen, die so manchen Ironman in den Schatten stellen – machen den Alpe d’Huez zu einem beeindruckenden Erlebnis.

Doch Vorsicht: Ich habe den Alpe d’Huez Triathlon nur bei strahlendem Sonnenschein zu Gesicht gekommen. In den Alpen kann das Wetter jedoch schnell umschlagen wie wir zwei Tage nach dem Wettkampf miterleben konnten. Und dann möchte ich nicht gerade irgendwo auf der Strecke unterwegs sein...

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